Sättigung und Hunger sind zwei wichtige Regularien unseres Körpers, die uns sagen, ob und wann wir essen sollen. Wir überleben, weil unser Organismus uns sagt, wann er was braucht. Durst signalisiert eine nötige Flüssigkeitsaufnahme, Hunger den Bedarf an Nahrung. Das Gesagte gilt aber nur im Normalfall.
Zahlreiche Störfaktoren hebeln natürliche Hunger- und Durstgefühle aus. Die krassesten Beispiele sind Völlerei und Nahrungsverweigerung in Form einer Magersucht oder eines Hungerstreiks. Frönen wir dem ständigen Futtern, verliert das normale Hungergefühl die Orientierung. Es meldet sich durch die ständige Nahrungsaufnahme entweder gar nicht mehr und wird durch ständigen Appetit ersetzt – oder man hat ständig Hunger und nie ein echtes Sättigungsgefühl. Auch die Mischung aus Heißhungerattacken und anschließender Übersättigung ist denkbar. Im anderen Falle schwindet das natürliche Hungergefühl auch, wenn man dauerhaft zu wenig isst oder die Nahrungsaufnahme ganz verweigert. Anfangs macht sich der Hunger noch schmerzhaft bemerkbar. Dann gewöhnt sich der Körper daran. Der Magersüchtige unternimmt zahllose Anstrengungen, um dem permanenten Hunger zu widerstehen. Schließlich hat er keinen mehr, obwohl er durchaus eine Gier nach Essen haben kann. Der Sieg über die Gier gilt als Sieg über den nicht gefallenden Körper schlechthin.
Der Bulimiker gibt dem Hungergefühl in einer Futterorgie nach, um diese Tat dann zu bedauern. Er kann Hunger und Appetit nicht widerstehen, möchte aber dennoch keine Kalorien aufnehmen. Er sieht also zu, dass er den vereinnahmten Berg Kalorien durch künstliche Nachhilfe schnellstens wieder loswird. Fastende wissen ein Lied davon zu singen, dass man sich in den ersten Tagen des Fastens klapprig und schwach fühlt und schnell friert. Anschließend aber erlebt man Gefühle der Euphorie oder Leichtigkeit. Am Ende der Fastenzeit fühlt man sich entschlackt und vitaler als zuvor. Das natürliche Hungergefühl wird hier – meist unter ärztlicher Aufsicht – nur eine Zeit lang übergangen. Klare Gemüsesuppen und viel warmer Tee halten den Organismus in Balance und spülen toxische Schlacken aus. Das natürliche Hungergefühl muss nachher durch einen sanften Wiedereinstieg in die Nahrungsaufnahme erneut hergestellt werden. Wer sich nach dem Fasten gleich richtig satt isst, weil er Heißhunger verspürt, dem geht es nicht gut dabei.
Auch bestimmte Diäten können das natürliche Hungergefühl unterlaufen und stören. Mehr noch als das, können Zigaretten, Tabletten und Drogen die natürlichen Regularien nachhaltig stören. Abführmittel und Appetitzügler suggerieren dem Körper unnatürliche Rhythmen des Verdauens, Abführens oder Essenwollens. Zigaretten mindern den Appetit und werden daher oft ganz gezielt als Mittel gegen eine Gewichtszunahme eingesetzt. Sie verschaffen einem eine kalorienarme orale Befriedigung. Das natürliche Hungergefühl wird mit zwei Zigaretten und einer Tasse Kaffee behandelt. Dieses Rezeptes bedienen sich auch zahlreiche Fotomodelle, die den Appetit mit zusätzlichen Kokaindosen noch weiter heruntermindern. Wie wir sehen, können wir auf verschiedenste Arten unliebsamen Einfluss auf das natürliche Hungergefühl nehmen und essen dann entsprechend. Oder auch nicht! Letzten Endes bedienen sich auch Diätriegel und Formulagetränke der vermeintlichen Sättigung des Hungers – dies aber zur positiven Unterstützung einer nötigen Gewichtsreduktion.