Zunächst erscheint es uns nicht als sehr attraktiv, Zuckerbrausen durch Mineralwasser, Szenegetränke durch Kräutertee und dickmachende Döner durch Gurkenscheiben zu ersetzen. Die Waage harrt geduldig der Dinge, die da kommen. Die Vernunft nickt das Vorhaben zweifellos ab – aber die Unvernunft? Der Appetit möchte definitiv anderes. Doch den haben wir auch dazu manipuliert!
Wir Menschen haben mit unserer Ernährung über mehrere Generationen hinweg Experimente veranstaltet. Was war nun zuerst da: Der Appetit auf Zucker, Fett, Alkohol und Weißmehl oder die Produkte, die ihn befriedigen? Interessant ist, dass weltweit die Entwicklung zu denaturiertem Essen zu verzeichnen ist. Die Indianer waren geradezu wild auf Feuerwasser, die Tibeter versuchen es mit Brot statt Tsampa, die Chinesen essen polierten Reis. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, das solche “veredelten” Produkte früher das Privileg der Wohlhabenden waren, bevor sie auch uns zur Verfügung standen. Vor allem aber ist es wohl eine Folge des Exports. Wenn man Reis nur in polierter Form in großen Mengen verkaufen kann, liegt es nahe, dass man ihn auch selber so “veredelt” isst. Es ist wahrhaft spannend, sich einmal intensiver mit der Geschichte unserer heutigen Lebensweise, mit Ernährungs-Ethnologie und Food Design zu beschäftigen. Eines ist klar: Eine Ernährungsumstellung gelingt viel leichter, wenn wir größere Zusammenhänge verstehen. Zahllose Bücher auf dem Markt bedienen dieses Thema, eines spannender als das andere. Es kann schon sein, das man hinterher die Machenschaften der Zucker- oder Fleischmafia anders sieht und Zuckerhaltiges oder Fleisch sehr viel bewusster wahrnimmt. Und boykottiert!
Zu einer gelungenen Ernährungsumstellung gehört eine Änderung der inneren Einstellung zum Körper ebenso wie zum Essen. Keine noch so gute Diät wird dauerhaft erfolgreich sein, wenn wir sie uns aufzwingen. Viel mehr Erfolg verspricht es, wenn wir uns einmal Zeit nehmen, den Gründen für unser derzeitiges Ess- und Bewegungsverhalten nachzuspüren. Was ist Frustessen, was wurde aus Langeweile, Stress oder Kummer gefuttert, was aus Gewohnheit, Appetit oder Sucht? Wann bewegen wir uns zu wenig und warum? Was man versteht und als Taktik, Gewohnheit, Flucht- oder Suchtverhalten erkennt, kann man leichter ändern. Zudem sollte man dies in einer Lebensphase tun, in der man Zeit für sich hat. Zwischen diversen anstrengenden Konferenzen Diät machen zu wollen, stresst viel zu sehr! Gerade hier braucht man Energien und leidet, wenn man sie einspart. Eine Ernährungsumstellung sollte aber keinen Leidensdruck nach sich ziehen, sondern Spaß bringen und Lust auf Entdeckungsreisen machen. Unsere Kinder verstehen Sprossenzucht als experimentelle Biologie! Sie sind es oft auch, die aus Überzeugung und Mitgefühl Vegetarier werden möchten oder sich für eine Getreidemühle und einen Vollkornflocker begeistern können. Probieren Sie doch einmal aus, selber sättigende Frucht-Smoothies zu erfinden oder Ihre Familie mit selbst gebackenen Vollkornbrötchen zu überraschen. Oft klingt der Vorschlag, Gesundes auf den Tisch zu bringen, in allen Ohren abschreckend. Über den Genuss bekommt man aber auch hartnäckige Verweigerer dazu, ihre Meinung zu ändern.
Unser wichtigster Tipp zu einer Ernährungsumstellung lautet daher: Werden Sie zum Wissensdetektiv, erobern Sie neues Food-Terrain, experimentieren Sie lustvoll mit Vollwertrezepten, Rohkost oder Vegetarismus – aber halten Sie Maß. Langsameres Genießen macht schneller satt!